Das Schützenwesen in Deutschland wurde als „immaterielles Kulturerbe“ offiziell anerkannt.

  • 2. April 2016
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Nachfolgend ein Interview mit dem 1. Schützenmeister Michael Müller und der 2. Schützenmeisterin Dagmar Bräuer von der Schützengesellschaft „Fröhlicher Abend“ Taufkirchen 1881 e.V. zu diesem Thema, das Cordula Soellner, Pressesprecherin des Vereins, führte.

Frage: Mitte März wurde von der UNESCO die Urkunde an den DSB-Präsidenten Heinz-Helmut Fischer übergeben, die bekundet, dass das Schützenwesen in Deutschland in das „Bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes“ aufgenommen wurde. Was verbindet Ihr mit dieser Auszeichnung?
Leider nahm man in den letzten Jahren Schützenvereine hauptsächlich in negativen Schlagzeilen wahr, wenn schreckliche Verbrechen, wie Amokläufe etc., mit Waffen begangen wurden, die im Zusammenhang mit einem Sportschützen oder dessen Angehörigen standen. Dass die Schützenvereine für sportlich faire Wettkämpfe und für ein friedliches Miteinander stehen, sich außerdem vielfältig gesellschaftlich engagieren, geriet dabei zunehmend in den Hintergrund.

Mit dem Schützenwesen verbinden wir Begriffe, wie Tradition und modernen Sport. Vor über 130 Jahren gründeten unsere Vorfahren in Taufkirchen den Verein „Fröhlicher Abend“ und, wie schon aus dem Namen hervorgeht, stand bereits damals das Miteinander und Gesellige am Feierabend, verbunden mit sportlichem Wetteifern, an erster Stelle. Auf unserer Fahne steht „Wenn Treu und Frohsinn walten, bleibt der Verein erhalten“. Unser Motto ist lebensbejahend und nicht ein Aufruf zur Gewalt. Mit dieser Auszeichnung verbinden wir die Hoffnung, dass die Schützenvereine in Zukunft wieder positiv wahrgenommen werden.

Frage: Wie steht es heutzutage um das Vereinsleben?
Es ist schwierig geworden, vor allem mit der Jugendarbeit, da das Freizeitangebot heutzutage sehr vielfältig ist und die modernen Kommunikationsmedien sehr verlockend sind. Der virtuelle Kontakt im Internet ist schneller und einfacher herzustellen, als das Haus zu verlassen, jemanden persönlich zu treffen und dann auch noch für eine gewisse Zeit die Disziplin aufzubringen, still zu halten und sich auf ein Ziel zu konzentrieren.

Wir legen großen Wert darauf, dass unsere Mitglieder bei Veranstaltungen in der Gemeinde teilnehmen und dort wahrgenommen werden. So rücken wir z. B. an Fronleichnam und am Volkstrauertag mit unserer Fahne aus, nehmen dankbar die Einladung der „Freunde des Wolfschneiderhofes“ bei der Johanni-Dult teilzunehmen an und auch beim Sommerfest der Vereine sind wir präsent, wo wir stets von vielen jungen Mitbürgern an unserem Lichtpunktschießstand umringt werden. Beim Oktoberfest Trachten- und Schützenzug nehmen unsere Schützenkönige und Fahnenträger regelmäßig teil und bei den Gau-und Bezirksschützenbällen schwingen wir Schützen fleißig das Tanzbein. In unserem Verein organisieren wir das ganze Jahr über vielfältige Veranstaltungen, wie lustige Kranzlschießen, Grillfest, Vereinsausflug, eine besinnliche Adventsfeier u.v.m.

Bei besonderen Anlässen und Feierlichkeiten rückt unser Salutzug aus. Er ist ein schmuckes und lautes Aushängeschild des Vereins beim Schießen eines Ehrensalut, zum Beispiel anlässlich des runden Geburtstages eines Schützenkameraden, aber auch dann, wenn ein Vereinsmitglied zu Grabe getragen wird. Es ist wie in einer großen Familie, man feiert die schönen Ereignisse, steht aber auch bei schwierigen und traurigen Anlässen dem Nächsten zur Seite. Wir verbinden Generationen. So manche lebenslange Freundschaft oder gar Ehe fand hier bei uns seinen Anfang.

Frage: Jetzt haben wir das Gesellschaftliche betrachtet, wie ist es mit dem Sportlichen?
Einer unserer Sprüche lautet: “ Moderner Sport trifft auf heimische Tradition“. Unsere Schützen sind das ganze Jahr über unterwegs. In Vergleichs- und Rundenwettkämpfen messen sie sich mit anderen Vereinen des Gaus München Ost-Land oder gar des Bezirks München. Auf unseren Ständen wird überwiegend mit Luftgewehr und Luftpistole geschossen. Unsere Abteilung Großkaliber fährt einmal im Monat zum 100 m-Schießen nach Ottobrunn. Wir sind stolz auf unsere Leistungsschützen, die es über die Vereins-, Gau-, Bezirks- und Bayerischen Meisterschaft zum Teil bereits bis zur Deutschen Meisterschaft geschafft haben. Interessant ist eine wissenschaftliche Langzeituntersuchung der Universität Würzburg im Auftrag des Deutschen Schützenbundes, die u. a. aufzeigt, dass Jugendliche durch regelmäßiges Schießtraining unter Anleitung lernen Emotionen zu regulieren und adäquates Verhalten auch in schwierigen persönlichen Situationen zu zeigen. Wie oben schon erwähnt, verbinden manche Bürger mit den Schützenvereinen viel Negatives ohne den Sport tatsächlich zu kennen. Diese Bürger würden wir gerne zu einem unserer Vereinsabende einladen, um ihnen Gelegenheit zu geben, sich ein eigenes Bild von unserem Sport zu machen.

Die Auszeichnung „immaterielles Kulturerbe“ erfüllt uns mit Stolz, weil es unser sportliches und gesellschaftliches Engagement würdigt. An dieser Stelle möchten wir uns sehr herzlich bei unserem Gemeinderat bedanken, ohne dessen finanzielle Unterstützung unser Wirken in dieser Art und Weise nicht möglich wäre.

Vielen Dank für Eure Antworten. Ich wünsche Euch noch viele fröhliche Abende sowie allzeit eine ruhige Hand, ein scharfes Auge und „Gut Schuss!“